Sunday, December 23, 2012

Die Weihnachtslegende (1)


Was werde ich meiner Tochter, wenn sie älter sein wird, über das christliche Weihnachtsfest erzählen?

Kein Zweifel: Weihnachten ist ein Kinderfänger! Aber unabhängig davon, ob das Fest nun an gesetzliche Feiertage geknüpft ist - die berufstätige Erwachsene nicht gerne aufgeben möchten, oder welche Gewinne der alljährliche adventliche Konsumrausch dem Handel bringen mag, könnten wir Weihnachten nicht durch etwas Wahrhaftigeres ersetzen? Und stimmt es wirklich, daß man Kindern etwas nehmen würde, wenn man die Krippenspiele, die Adventkränze, die lustigen Weihnachtsspecials von TV-Serien oder die gemeinsamen Familienbesuche der zahlreichen Adventmärkte einfach streicht? Ich denke, es kommt darauf an, wie man es ihnen nimmt, und was man den Kindern im Gegenzug dazu anbieten kann: wie wär's mit der Wahrheit? Denn die allermeisten Elemente des Weihnachtsbrauches sind von den Christen zusammengestohlen worden, nämlich aus dem reichen Fundus früherer Kulte, besonders aber der traditionellen Wintersonnwendfeiern, die lange vor dem Christentum in den verschiedensten Regionen der Welt gefeiert worden waren, nicht nur im nahen Osten. Der Eklektizismus oder Sykretismus, den Christen so gerne anderen Kulten vorgeworfen haben, trifft vor allem hinsichtlich der Weihnachtslegende auf sie selbst am meisten zu. Viele diese Elemente würden fortbestehen, auch wenn man das spezifisch Christliche an Weihnachten unter den Tisch fallen ließe. Adventkränze und dekorierte Bäume etwa gab es in Nordeuropa lange bevor dort die ersten Missionare erschienen.  

Wie auch immer, ich werde es genießen, meiner Tochter die Wahrheit über das "Christkind" und den "Weihnachtsmann" näher zu bringen, denn diese ist überaus spannend und lehrreich und sie wird sich dabei sicher nicht langweilen. Und diese Wahrheit bzw. diese Annäherung an die historische Wahrheit ist Kindern zumutbar, insofern man sie auf interessante und kurzweilige Art zum kritischen Denken anregt. Die Beschäftigung mit der Weihnachtslegende lehrt viel über die Geschichte des Menschen, über fromme Lügen und den unglaublichen propagandistischen Erfolg des Christentums, der bis heute andauert.

Sehen wir uns zu diesem Zweck einmal an, was Karlheinz Deschner, der Autor der "Kriminalgeschichte des Christentums", zur Entstehung der Weihnachtslegende zu erzählen hat. Er bringt im Abschnitt "Die Entstehung des Weihnachtsfestes" seines 1962 erschienen "Abermals krähte der Hahn" (Kap. 11) die Ursprünge des christlichen Weihnachten in Zusammenhang mit Kulten und Traditionen verschiedenster Herkunft (ein Thema, das erst kürzlich wieder in "Zeitgeist I" amüsant aufgegriffen wurde).




"Der Geburtstag des Mithras, der dies natalis solis, war der 25. Dezember, heute bekanntlich der Geburtstag Christi. Die Urchristenheit allerdings feierte nur ein Fest, das Passah, und bis ins 4. Jahrhundert blieben Ostern und Pfingsten die einzigen allgemeinen Feste der Kirche. Anscheinend erinnerte man sich damals noch, dass Jesus nicht gepredigt hatte: setzt Feiertage ein!
Der Geburtstag Christi wurde lange nicht begangen und dann höchst verschieden bestimmt. Steht doch nicht einmal das Jahr der Geburt fest, die Historizität des Herrn vorausgesetzt. Als sein Geburtstag galt um 200, nach Clemens von Alexandrien, den einen der 19. April, den anderen der 20. Mai, während Clemens selbst den 17. November für das richtige Datum hielt.
Das Weihnachtsfest ist im 2. Jahrhundert in Ägypten aufgekommen und dort am 6. Januar (11. Tybi) gefeiert worden, dem Geburtstag des Gottes Aion oder Osiris.
Erst im Jahre 353 hat die Kirche den Geburtstag Christi auf den 25. Dezember, den Geburtstag des Mithras, des unbesiegbaren Sonnengottes verlegt, um diesen aus dem Volksbewusstsein zu verdrängen. Die Adventzeit als Vorfeier des Weihnachtsfestes kam sogar erst im 6. Jahrhundert auf.
Das neue kirchliche Fest wurde um so rascher beliebt, als es nur die Umgestaltung des heidnischen Sonnwendfestes war, der Aionfeier - eine mythische Darstellung der Geburt der neuen Sonne.
Vom 24. auf 25. Dezember versammelten sich dabei die Mysten in einem unterirdischen Adyton, um gegen Mitternacht die Einweihungsriten zu vollziehen. In der Morgendämmerung verließen dann die Gläubigen in einer Prozession den Kultort, wobei sie die Statuette eines Kindes als Symbol des eben von der Jungfrau, der Dea Caelestis, geborenen Sonnengottes mit sich führten. Sobald die Sonne aufging, stimmten sie die liturgische Formel an: „Die Jungfrau hat geboren, zu nimmt das Licht." Aber auch folgende Wendung ist überliefert: „Der große König, der Wohltäter Osiris ist geboren". Bei der Geburt des Gottes soll sogar eine Stimme aus der Höhe erschollen sein:
„Der Herr des Alls tritt ans Licht hervor".
 Bei Lukas spricht der Engel: „Heute wurde euch der Heiland geboren".
Die christliche Weihnachtserzählung ist uns allen so vertraut, dass viele glauben, sie stünde in allen Evangelien. Sie steht aber nur bei Lukas. Und Lukas hat sie aus alttestamentarischem und mehr noch aus paganem Gut herausgesponnen. Wie stark gerade der heidnische Einfluss in der lukanischen Legende ist, wurde erst unlängst von der theologischen Forschung wieder gezeigt:
1. Die leicht sentimentale Schilderung der reisenden Mutter, die keinen Platz findet, ihr Kind zu gebären. Hier denkt jeder griechische Leser an die Mutter Apolls, die auch keine Stätte fand, und die die Dichter ähnlich schildern. 
 
2. Wie das Zeuskind bei Kallimachos in Windeln gewickelt wird und das Dionysoskind in einer Getreideschwinge liegt, so liegt bei Lukas das in Windeln gewickelte Jesuskind in einer Krippe. 
 
3. Die bukolische Hirtenerzählung wird ganz ähnlich bei der Geburt des Kyros und des Romulus überliefert, wohl auch in Mithraskindheitsgeschichten. Mit alttestamentlichen Hirtengeschichten hat sie nichts zu tun, da diesen das Wesentliche, die Begrüßung des göttlichen Kindes, fehlt. 
 
4. Die Lichterscheinung in der Nacht gehört in die Stimmung der Mysterien. "Mitten in der Nacht sah ich die Sonne strahlend im leuchtenden Licht", heißt es von der Isisweihe. 
 
5. Aus den Mysterienfeiern stammt der Ruf: "Euch ist heute der Heiland geboren." In Eleusis lautet der Jubelruf der Hierophanten: "Einen heiligen Knaben gebar die Herrin", bei der hiervon abhängigen alexandrinischen Aionfeier: "ln dieser Stunde, heute, gebar die Jungfrau den Aion", und: "Die Jungfrau hat geboren, das Licht geht auf." 
Bei Osiris heißt der Ruf: "Der Herr aller Dinge geht ans Licht hervor ... ein großer König und Wohltäter, Osiris, ist geboren", und im Herrscherkult: "Ein König ist euch geboren ... und er nannte ihn Charilaos, weil alle sehr froh wurden."
 
6. Aus der Herrscherfrömmigkeit stammen die Ausdrücke: "große Freude verkündigen", "Heiland", "allem Volke".
 
7. Die Verkündigung der großen Freude bei der Heilandsgeburt ist ein religionsgeschichtliches Motiv, von dem wir nur nicht wissen, ob es im Lachen der Himmel und Welten bei der Buddhageburt oder im kosmischen Zarathustrajubel oder ob nicht beides erst im Hellenismus seine Wurzel hat. Vielleicht darf man bei Lukas die gleiche hellenistische Quelle voraussetzen wie in der 4. Ekloge Vergils. 
 
8. Die himmlischen Heere entstammen bei Lukas alttestamentlichen Vorstellungen, erinnern aber auch an die als Soldaten gekleideten Kureten und Korybanten um die Wiege des Zeus oder an die den jungen Dionysos umgebenden Heerscharen.
Solche Aion- und Geburtsvorstellungen, wie sie in den Evangelien wiederkehren, waren der vorchristlichen Welt also wohlvertraut. Das bezeugen auch die vielbesprochenen „Religionsgespräche am Hofe der Sassaniden": „Herrin, sprach eine Stimme, der große Helios hat mich abgesandt zu dir als Verkünder der Zeugung, die er an dir vollzieht ... Mutter wirst du ... eines Kindleins, dessen Name ist "Anfang und Ende".
Auch die berühmte, 40 v. Chr. entstandene vierte Ekloge Vergils verheißt die Geburt eines Knaben, der vom Himmel auf die Erde gesandt werden und ihr den ersehnten Frieden bringen soll." „Gekommen ist die Endzeit", liest man in dem Gedicht. „Schon hat Apollo seine Königsherrschaft angetreten ... Ein Sohn des höchsten Gottes wird geboren".
Entsprechend schreibt Paulus: „Als aber die Erfüllung der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn". Oder das Markusevangelium: „Erfüllt ist die Zeit und das Königreich Gottes nahe herbeigekommen"." Karlheinz Deschner, Abermals krähte der Hahn, 5. Aufl., btb-Verlag, München, 1996, S.91f; auf die zahlreichen Fußnoten und Querverweise in Deschners Original wurde hier verzichtet.


Auch interessant: Deschner's nicht gegebenes Interview zum Thema "Missbrauch in der Kirche"








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