Ob es den Redakteuren der letzten GEO-Epoche Ausgabe Nr. 48 „Mafia – Die Geschichte des organisierten Verbrechens“ selbst aufgefallen ist, oder ob sie die These bewußt vertreten? Nämlich, daß mafiöse Gruppen, falls sie überleben, im Laufe ihrer relativ kurzen Geschichte im jeweiligen Staat sich schließlich wieder mit diesem verbinden und mit ihm eine fast unsichtbare konspirative Einheit bilden, die durch nur schwer durchschaubare Wirtschaftkriminalität definiert ist? Kein Staatsmann, kein Beamter würde dies jemals zugeben. Und die These, ob wahr oder falsch, wäre nur unter sehr glücklichen Umständen überprüfbar.
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Die evolutionäre These kann wie folgt umrissen werden: Ursprünglich gegen die (ungerecht empfundene) staatliche Obrigkeit gerichtet, entstehen Gruppen mit eigenem moralischem Kodex und eigenen Mythen, die zunächst mittels physischer Gewalt (oder deren Androhung) ihren Opfern Mittel abpressen. Mit zunehmender Dauer überleben nur diejenigen Gruppierungen, die sich untereinander koordinieren und bis zu einem gewissen Grad tolerieren, während andere, die auf ihrem Gewaltmonopol beharren oder eine Hegemonie anstreben, früher oder später vom Staat oder von anderen Gruppierungen zerschlagen werden. Die These im engeren Sinn lautet nun: Letztlich überleben nur diejenigen, die ihre Methoden und Ziele der modernen Wirtschaft anpassen und sich über juristische Schleichwege unsicht- und unangreifbar zu machen vermögen.
Beispiele gibt es zuhauf. Ob es sich um die „Ehrenwerte Gesellschaft“ der italienischen Mafia-Clans handelt (die Cosa Nostra auf Sizilien, die Camorra in Neapel, die 'Ndrangheta in Kalabrien) handelt, um deren amerikanische Ableger oder deren dortige irische und jüdische Konkurrenz, südamerikanische Drogenhändlerringe, oder um die japanischen Yakuza: sie haben überlebt, weil sie sich an die Erfordernisse des Geld-Machens-im-großen-Stil angepaßt haben. Vom Gangster zum Manager.
Im Gegensatz dazu sind etwa die russischen Wory w Sakone, die in Stalins Gulag entstanden waren, zum Mythos geschrumpft, die amerikanischen Mafiosi von Castros Leuten in Kuba verjagt worden wie zuvor die Grüne Bande von den chinesischen Kommunisten. Letztere beiden Beispiele ergeben eine Eischränkung der These auf politische Systeme, die private Akkumulation von Vermögenswerten überhaupt zulassen.
Obwohl sich die GEO-Redakteure auf die geschichtliche Entwicklung räumlich getrennter mafiöser Verbindungen konzentrieren und die gegenwärtige Lage so gut wie nicht behandeln, schließen ihre Artikel mit vielsagenden Bemerkungen.
Rußland: „Heute besteht die russische Mafija aus wahrscheinlich einem Dutzend großer Netzwerke, die schätzungsweise ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaften.“
Japan: Mitte 2009 […] kontrollieren die Yakuza nach der Schätzung eines Experten gut 50 an den Börsen von New York und Tokyo notierte Unternehmen.“
Na ja, und was soll man schon über Italien sagen? Der GEO-Epoche Chefredakteur verweist im Editorial auf die Verurteilung Marcello Dell'Utris zu 7 Jahren Haft, 2010. Dell'Utri galt als die rechte Hand des Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. (Siehe auch den Spiegel-Bericht Berlusconi-Buddy zu sieben Jahren Haft verurteilt)
Der Artikel über die USA seit den 30ern endet lapidar mit: „Den Behörden gelingt es nicht, die Commission dauerhaft zu zerschlagen. Das Geschäftmodell von 1931 besteht weiter. Bis heute.“
Und in Deutschland?
SPIEGEL ONLINE: Ist die 'Ndrangheta auch in Deutschland aktiv?
Capo: Wir sind da, wo das Geld fließt. In Deutschland fühlen wir uns besonders wohl, weil man dort noch Respekt voreinander hat.
SPIEGEL ONLINE: Stehen auch deutsche Politiker auf Ihrer Gehaltsliste?
Capo: Wenn es nicht so wäre, wären wir nicht da. Das große Geld lässt sich nur verdienen, wenn die Politik mitmacht.(--> Spiegel Online Interview)
Da hat der Capo aber was ganz nettes über Deutschland gesagt: "Respekt voreinander" - wie rührend! Ob er noch lebt?
Und wo fließt das meiste Geld?
An der Börse (und rund um die Staatskassen natürlich).
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Update 28-09-2011
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Update 13-10-2012
"Staatspräsident Giorgio Napolitano rief die Präsidenten der Regionen angesichts der jüngsten Skandale zu strengem Vorgehen gegen Korruption und Veruntreuung öffentlicher Gelder auf. Bei einem Treffen mit Repräsentanten der Konferenz der Regionen plädierte Napolitano für sofortige Maßnahmen gegen Verschwendung staatlicher Finanzierungen und Parteigelder. "
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