Das Jahr 2012 war gerade vier Tage alt, als sich der Landesobmann des ober-österreichischen Bauernbundes Maximilian Hiegelsberger mit einer Wortmeldung schon verdient gemacht hatte ... um den Preis zur schrägsten politischen Äußerung des neuen Jahres:
"Kirchensteuer-Flüchtlinge", so Landesobmann Max Hiegelsberger am Mittwoch, sollen einen gleichwertigen Kultusbeitrag leisten. Er ver-misse in der aktuellen Diskussion um die Gerechtigkeit der Steuerlast eine Gerechtigkeitsdebatte im Zusammenhang mit dem Kirchenbeitrag. [...] Es sei nicht gerecht, dass jene, die aus der Kirche austreten, keinen Beitrag im Kultusbereich leisten müssen, betonte Hiegelsberger. "Die Geschichte und Identität eines Landes finden sich auch in den geschichtsträchtigen Gebäuden. Die Stifte, Klöster und Kirchen sind Wahrzeichen des Landes Oberösterreich." Der Kirchenbeitrag werde auch zum Erhalt dieser Bauten verwendet, erklärte der Landesobmann. "Es kann nicht sein, dass von diesen Wahrzeichen jeder profitiert, aber nicht alle beim Erhalt mitzahlen."
Mit derselben Logik sollte man demnach weiterhin Mitgliedsbeitrag für den Automobilklub bezahlen, aus dem man ausgetreten ist, weil der Klub ja seine Übungsplätze, Filialen und Gerätschaften aufrechterhalten muß, die ja auch nicht nur den Mitgliedern, sondern auch den anderen Bürgern indirekt zugute kommen. Sollten Sie aus einem Denkmalschutzverein austreten, weil Sie mit seiner Philosophie nicht mehr einverstanden sind, dann sollten Sie sich gut überlegen, ob es Ihre finanzielle Situation erlaubt, einem anderen Denkmalschutzverein beizutreten, denn Sie zahlen ja dann doppelt (oder gilt die Hiegelsberger'sche Logik jeweils nur für den ersten Verein?). Da die österreichische Berglandschaft - touristisch gesehen - mindestens ebenso wertvoll ist, wie seine im Übermaß vorhandenen Kirchengebäude, sollte dann jeder Austritt bei den Naturfreunden mit lebenslangem Mitgliedsbeitrag bestraft werden?
Warum sollte man sich mit solchem (vermeintlich religiös motiviertem) Unsinn überhaupt auseinandersetzen?
Hier sollte man folgendes bedenken: der Herr Hiegelsberger ist immerhin - neben seiner Tätigkeit beim Bauernbund - Bürgermeister einer oberösterreichischen Gemeinde, Abgeordneter zum oberösterreichischen Landtag und Agrarlandesrat in der oberösterreichischen Landesregierung. Und - um Noam Chomsky in einem ähnlichen Fall zu zitieren - "diese Leute haben Macht".*
Tatsache ist, daß nicht nur in Oberösterreich jährlich der katholischen Kirche die Beitragszahler zu Tausenden den Rücken kehren und daß der alte Trick fast immer funktioniert: zuerst eine Forderung frech und in überdimensionalem Ausmaß vorzutragen, um dann letztlich das vom Staat einzustreichen, was man sich realistischerweise vorgestellt hat. Diesmal ging der jurististisch unmögliche Vorstoß aber nach hinten los, nachdem darüber fast ganz Österreich den Kopf schüttelt, einschließlich selbst vieler Katholiken und Denkmalschützer.
Gegenvorschläge lassen sich jedoch leicht finden, denn aus Kirchen lassen sich fein spektakuläre Restaurants, Bankfilialen, Supermärkte, Kletterhallen, Ferienwohnungen, Messehallen oder Discos machen. Die einzige Schwierigkeit bei Verkäufen an private Investoren sind die österreichischen Denkmalschutzgesetze. Aber wahrscheinlich wird ja die von Hiegelsberger so rüde angestoßene Debatte produktiv genau auf diesen (möglicherwiese anvisierten) Punkt hinauslaufen. Die sekuläre Empfehlung kann daher nur lauten: Aufweichen der Denkmalschutzgesetze dahingehend, daß Käufern hinreichend Anreiz geboten werden kann, aus den leerstehenden Kirchen doch noch etwas zu machen. Damit würde (fast) allen gedient sein, denn der Papst braucht neue Schuhe, die Wiener müßten keine Angst haben ihren Steffel zu verlieren, und Atheisten bzw. Andersläubige können wieder etwas aufatmen. Den Steffel oder das weltberühmte Stift Melk sollte sogar der Staat Österreich selbst gewinnbringend erwerben können.
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*Chomsky bezog sich auf den Fall des US-amerikanischen Kongress-abgeordneten John Shimkus, der Maßnahmen zu einer Änderung in der Energiepolitik ablehnte, da Gott Noah versprochen hatte, keine weitere Flut zu schicken, und sich die amerikanische Bevölkerung deshalb keine Sorgen um die Klimaerwärmung machen müßte.
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