Friday, January 21, 2011

II Warum Deutsche in Afghanistan kämpfen/Why Germans fight in Afghanistan

Teil 2 – Niemand redet mehr von Demokratie, Menschrechten und schon gar nicht von Frauenrechten in Afghanistan und trotzdem schickt der deutsche Bundestag Soldaten dorthin - gegen den Willen der Bevölkerung
(Part 2 – Nobody talks about democracy, human rights and much less of women's right in Afghanistan anymore, nevertheless the German Bundestag sends German troops there - against the will of the German people)


Moderator: Wie ist eigentlich ihr Eindruck? Wir haben die Bilder gesehen: die Bundeskanzlerin zwischen den Särgen oder vor Särgen mit schwarz-rot-goldenen Flaggen. Ändert das etwas in der Wahrnehmung in der Bevölkerung ihrer Meinung nach? Ändert es die Einstellung zum Krieg hier?
(Host: What is your impression? We have seen the pictures: Chancellor [Merkel] between the coffins or in front of coffins with black-red-golden flags. Does that change anything concerning the perception of the population? What do you think? Does that change the attitude towards war?)

German Chancellor Angela Merkel in front
of coffins of dead German soldiers

Kujat: Nein. Ich glaube das Gegenteil ist der Fall. Ich denke eher, dass es das Unbehagen und die Ablehnung in der Bevölkerung verstärken wird. Was wirklich die Unterstützung der Bundesregierung fördern könnte, wäre eine offene und schonungslose Analyse der Lage, eine Erklärung, welche Ziele wir dort verfolgen.
(Kujat: No. I think the opposite is the case. I rather think it will intensify the discomfort in the population. What really could promote the support for the government would be an open and unsparing analysis of the situation, an explanation of which goals we go after in that region.)

Moderator: Warum findet das nicht statt? Was ist Ihre Interpretation? [...]
(Host: Why doesn't this take place? What's your interpretation?)

Kujat: Das ist relativ einfach. Die Regierung möchte natürlich diese Tendenz nicht verstärken. Sie glaubt jedenfalls, dass sie die Zustimmung der Bevölkerung eher gewinnen kann, wenn sie nicht die volle Wahrheit sagt.
(Kujat: That's relatively simple. The government, of course, does not want to reinforce this tendency. Anyway, the government believes to gain consent among the population by not telling the whole truth.)

Ströbele: Ich war vor drei Wochen in Afghanistan in dem Lager in Kunduz. [...] Das Schreckliche, auch für die Soldaten, ist doch, dass sie dort kämpfen, ihr Leben riskieren, immer mehr riskieren und wissen, die deutsche Bevölkerung will das nicht in ihrer ganz grossen Mehrheit. Der deutsche Bundestag will das, schickt sie dort hin, aber die Bevölkerung will das nicht. Man kann doch hier nicht sagen, Deutschland und das deutsche Volk steht hinter ihnen. Das ist nicht der Fall.
(Stroebele: Three weeks ago I was in Afghanistan, in the camp in Kunduz. [...] The horrible thing is, also for the soldiers, that they are fighting there, risking their lives, risking more and more and knowing that the largest majority of the German population doesn't approve. One cannot say Germany and the German people are supporting them. That's not the case.)

Kujat: [...] ich persönlich [war] immer der Meinung, es ist ganz wichtig für die Soldaten, dass das Mandat durch den Deutschen Bundestag beschlossen wird und dass der Bundestag die deutsche Bevölkerung repräsentiert. In diesem Fall ist es aber nicht so, sondern hier gehen die Dinge wirklich auseinander. Wir haben hier eine konstant hohe Zustimmung im Deutschen Bundestag und gleichzeitig wächst die Abneigung in der Bevölkerung. Also der Deutsche Bundestag repräsentiert zumindest in dieser Entscheidung nicht die deutsche Bevölkerung.
(Kujat: [...] me personally, I always found that it would be very important for the soldiers to have a mandate of the German Bundestag behind them, the Bundestag representing the people. But here it's not the case. Here, things really are diverging.We have a constantly high acceptance in the German Bundestag and at the same time an increasing dislike among the population. Really, the German Bundestag does not represent the German population in this case.)

Ströbele: Richtig.
(Stroebele: Correct.)

[...]

Moderator: [...] also, der Bundestag – man glaubt ja "die Repräsentanten der Meinung der Bevölkerung" - ist in einem krassen Missverhältnis, was die Leute wirklich denken. Wann kommt [...] sozusagen der grosse Auftritt auf der Strasse, das Aussenparlamentarische, die Grossdemos “Raus dort, schützt unsere Soldaten!”. Meine These lautet, solange das nicht stattfindet, ist die Empörung auch nicht gross genug. Also ist wiederum auch die umgekehrte Formulierung “Alle mögen es nicht und nur der Bundestag ist dafür” falsch. Sonst würden doch die Leute protestieren “Holt unsere Jungs heim!”.
(Host: [...] well, the Bundestag – "the representatives of the opinion of the population" – as one may believe – there is a strong discrepancy between the Bundestag and what people really believe. When will there be the great scene on the street, the non-parliamentary, the large-scale rally "Get out there, protect our soldiers"? My thesis is: as long as this does not take place, the outrage is not strong enough. Hence, the converse thesis "nobody likes and only the Bundestag pleads for it" is false. Otherwise the people would go protesting "Bring back our boys"!)

Ströbele: Das ist eine völlig berechtigte Frage. Ich glaube, dass ein Grossteil der Bevölkerung erwartet, dass ihre Auffassung, die sie ihren Wahlabgeordneten in ihren Wahlkreisen ständig mitteilen, dass das auch irgendwann durchschlägt. [...] Ich sage es ja den Kollegen im Bundestag. Ich stehe auf wie letzte Woche bei der Bundestagsdebatte und sage “Die Bevölkerung will was anderes, als was ihr hier macht". Und dann sage ich den CSU-Abgeordneten “In eueren Wahlkreisen sind es noch viel mehr, als in den Wahlkreisen der Grünen” und dass die Leute dagegen sind. Das muss sich durchschlagen. Warum die Leute nicht auf die Strasse gehen grosse Demonstrationen – Widerstandshandlung machen – darüber rätsle ich auch.
(Stroebele: The question is really justified. People constantly inform delegates of their respective electoral districts about their opinion and the population expects that its opinion will finally succeed. [...] I use to tell it to the Bundestag colleagues. I use to stand up, as I did last week during the Bundestag debate, and say "the population wants something different to what you're doing here". And then I would tell the CSU-deputies "in your electoral districts are even more of those against the war than in the Green Party". It must finally succeed. Why people are not taking to the streets for big demonstrations – offering resistance – I'm puzzled about that, too.)

Kujat: Nun, die Gründe sind einfach. Die deutsche Bevölkerung geht dann auf die Strasse, wenn sie glaubt, dass sie persönlich betroffen ist – so wie in der Nachrüstungsdebatte. Hier ist [...] eine kleine Gruppe in der Bevölkerung betroffen. Das löst zwar Widerstand und Empörung aus – verbal. Aber niemand geht dafür auf die Strasse weil er nicht persönlich betroffen ist.
Harald Kujat - Chairman of the NATO
 Military Committee
from 2002 to 2005
(Kujat: Well, the reasons are simple. The German population only takes to the streets in case they believe in being personally affected – as with the atomic retrofit debate. In our case, only a small group of the population is affected. This indeed causes resistance and outrage – verbal. But nobody takes to the streets if not personally affected.)

Moderator: Ich brauch jetzt mal von Ihnen als Bürger strategischen Rat. Ok. Jetzt habe ich gelernt, wir sind jetzt dort. Wir sind in - sehr sehr niedlich ausgedrückt - in einem Schlamassel. Wir sind in einem schrecklichen Krieg und es sterben deutsche Staatsbürger in Uniform. Jetzt könnte man doch sagen “richtig rein oder ganz raus” beides wäre eine strategisch eindeutige Lösung. Der Bundesaussenminister aber hat erklärt, “Ende 2011 wollen wir uns langsam da mal zurückziehen”. Geht's denn eigentlich noch dussliger? Also ein Datum zu benennen, so dass der Taliban sich dahin setzt und sagt: So ich kann abwarten und Tee trinken, die gehen auf jeden Fall.
(Host: Consider me, as a citizen, being in need for some strategic advice from you. OK, so I have learned that we are down there now. Very very nicely formulated, we find ourselves currently in a mess. We find ourselves in a terrible war and German soldiers in uniform are dying. Now, one could say either "fully join" or "fully withdraw" – both would be a strategically clear solution. But our minister of foreign affairs announced "end of 2011 we will then slowly begin to withdraw". Is it possible to be more stupid? I mean, to announce a date so that the Taliban are set into the position to say "let's sit down, wait and have some tea, they're leaving anyway".)

Kujat: Eigentlich geht es nicht dussliger. Das muss man wirklich sagen.
(Kujat: No way to be more stupid – one must concede.)

Moderator: Also wenns nicht so traurig wär …
(Host: If it just wouldn't be that sad ...)

Kujat: So ist es. Die Sicherheitspolitik der Bundesregierung ist völlig konfus. Ich habe den Eindruck, dass sie selbst nicht weiss, was sie macht. Es ist wie die Amerikaner sagen "muddling through". Man wurschtelt sich irgendwie durch. Vor zwei Jahren wurde eine neue Strategie verkündet, weil man die zivile Hilfe um einige Millionen erhöht hatte. Dann hörten wir ständig, die eigentliche Strategie ist "comprehensive approach". Nun kommt eine neue Strategie.
(Kujat: That's right. The government's security policy is totally confused. I have the impression they don't know what they're doing. It's like the Americans say: "muddling through". They are muddling through somehow. Two years ago a new strategy was announced because support for the civilian population had been increased by few millions. Then we got to hear that the real strategy would be "comprehensive approach". Now there's a new strategy.)

[...]

Moderator: [...] Mich interessiert nur, ist es eine gute Sache für die wir da kämpfen?
(Host: [...] What I am interested in is the question: is it a good cause we're fighting for?)

Ströbele: Nein.
(Stroebele: No.)

Moderator: Na, so Demokratie, Frauenrechte …
(Host: Well, democracy, women's rights ...)

Ströbele: Das sagt inzwischen keiner mehr. Das war die moralische Begründung. Auch Menschenrechte, Frauenrechte, waren die moralische Begründung, mit der man allen Widerspruch versucht hat beiseite zu drücken, da redet keiner mehr von. Haben Sie von der Kanzlerin schon sowas nochmal gehört? Oder Westerwelle… das erzählt keiner. Auch Demokratie, "good gouvernance", gute Regierung sagt auch keiner mehr. Ich sage aber zu Ihnen Herr General: Das hört sich so an, dass wir in Afghanistan sind, weil wir das unseren Verbündeten nicht antun können da raus zu gehen. Da kann ich Ihnen nur sagen: es ist schon mal ein Weltkrieg geführt worden, nämlich der Erste, nur aus Bündnistreue heraus zu den damaligen verbündeten Mächten. Das kann doch nicht wieder sein, dass wir in einen Krieg, der jetzt neun Jahre andauert, dass wir einen Krieg führen nur aus Bündnistreue anderen gegenüber ...
(Stroebele: Well, in the meantime, nobody talks about that anymore. That was the moral justification. Human rights, women's rights were the moral justification explaining away each kind of resistance. Nobody talks about that anymore. Did you hear the chancellor [Merkel] talking something about that? Or Westerwelle [current German minister of foreign affairs]... nobody tells you that. Moreover, nobody speaks of democracy oder "good governance" anymore. But I tell you General: it sounds like that we're in Afghanistan because we couldn't do that to our allies – leaving Afghanistan. Well, this is what I tell you: there was already a world war started – world war I, only because of loyalty to the allegiance to powers then. It cannot happen again that we're conducting a war for nine years only because of loyalty to the allegiance to others ...)

Kujat: Völlig richtig!
(Kujat: Absolutely right!)

Ströbele: ... wo wir mit den Zielen überhaupt [nicht übereinstimmen]. Sie haben ja kein einziges Ziel genannt!
(Stroebele: ... with whom we don't share any common goals. You didn't name any goal!

Kujat: [...] natürlich. Sie haben völlig recht!
(Kujat: Sure, you're absolutely right.)

[...]

 - to be continued -

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