Tuesday, January 25, 2011

III Warum Deutsche in Afghanistan kämpfen/Why Germans fight in Afghanistan


Teil 3 - Wenn Obama 'A' sagt ...
(Part 3 - When Obama says 'A' ...)


Moderator: Herr Stöbele, ich hab mir jetzt mal überlegt: ist es denn wirklich vollkommen unmöglich sich vorzustellen, dass die Kanzlerin zum Telefonhörer greift, Obama anruft und sagt: Barack – oder wie auch immer die miteinander reden, ich halt es jetzt hier nicht mehr durch. In meiner Bevölkerung wächst der Druck. Ich halt es jetzt hier nicht mehr durch! Da hat der Mann doch Verständnis. Ich meine, er ist doch auch [...] Mehrheitendenker [...]. Was passiert Ihrer Meinung nach dann?
(Host: Mr. Stroebele, I just came to my mind: is it really absolutely impossible to imagine our chancellor [Merkel] to make a phone call to Obama saying: Barack – or however they may address each other – I cannot keep up here. There is increasing preassure among the population. I can't keep it up anymore. Surely the man must sympathize. I mean he's [...] thinking in majorities. [...] What would happen next?) 
Hans-Christian Stroebele
Ströbele: Ja, ganz genau. Vor allen Dingen, die US-Regierungen, und auch die früheren, waren das ja von den Deutschen so gewohnt. Und ich bin nun wirklich kein Fan von Helmut Kohl. Aber Helmut Kohl hat das zum Beispiel beim ersten Golfkrieg gegen den immensen Druck der US-Amerikaner, damals Bush sr., durchgehalten. Er hat gesagt, "nein, in meiner Bevölkerung setze ich das nicht durch, kann ich das nicht durchsetzen".
(Stroebele: Yes, exactly. In the first line, the U.S. governments, including former ones, got accustomed to the Germans being what they are just like in this case. And I'm really not a fan of Helmut Kohl. But Helmut Kohl managed to withstand the immense pressure coming from the U.S. Americans, Bush sr. at that time. He said "no, I cannot push this through with my people".)

Moderator: Allerdings ist es dann ein bischen blöd, wenn im Bundestag dauernd alle die Hand heben und sagen, ja wir machen mit!
(Host: Though it's a little bit stupid if the Bundestag always puts its hands up saying "yes, we'll join you!)

Ströbele: Ja. Aber bei Obama ist die Situation noch völlig anders als bei den beiden Bushs, [...] weil er viel eher weiss, was es bedeutet, wenn man davon abhängig ist, wenn die Bevölkerung den Krieg nicht will. Er ist ja unter anderem auch an die Regierung gekommen, weil die Bevölkerung in den USA den Krieg im Irak loswerden wollte, weil er sich als Kandidat des Friedens dargestellt hat. Und genauso könnte die Kanzlerin kommen…
(Stroebele: Yes, but the situation with Obama is absolutely different to that of the Bushs, [...] because he rather knows much better what it means to be dependent on the fact that the people don't want the war. It was one of the reasons why he came into power: because the people in the USA wanted to get rid of the war in Iraq, because he presented himself as a candidate for peace. Just the same way our chancellor could come ...)

Moderator: Er sagt ja, es geht. Was ist ihre Befürchtung, was dann passiert? [...] Also ich komm mir auch manchmal so vor, als wären wir ein Minipopel-Land voller Idioten, die machen müssen, was andere sagen.
(Host: Suppose he says yes, OK. What's your worry about what could happen then? [...] Well, some times I have the impression as if we were a Minipopel*-Land full of idiots who have to do what others order them to do.)

Kujat: Die Kanzlerin muss doch nicht Obama anrufen. Die Kanzlerin kann auf der nächsten Sitzung in der NATO, denn wir operieren ja dort, innerhalb der NATO, da sagt sie: Wir sind ein souvärener Staat – ich meine,wir sind ein souvärener Staat. [...] Wenn die Kanzlerin sagt, "Leute am Ersten ist Schluss für uns!", dann ist schluss für uns! [...]
(Kujat: The chancellor [Merkel] doesn't have to call Obama. The chancellor may announce at the next NATO meeting – because we operate within the NATO – she may announce: "Guys, on the first [of some future month] we're out!" - then we will be out!) [...]

Moderator: Ich finde das wichtig, weil immer der Eindruck entsteht, ich kann leider nicht anders, ...
(Host: I find that important, because there is always the impression that we cannot do otherwise, ...)

Kujat: Ach was!
(Kujat: C'mon!)

Moderator: ... weil da sind die Amerikaner ...
(Host: ... because there are the Americans ...)

Harald Kujat
Kujat: Ach was!
(Kujat: C'mon!)

Moderator: ... und das Bündnis ...
(Host: ... and the alliance ...)

Kujat: Ach was!
(Kujat: C'mon!)
[...]

Kujat: Ich akzeptiere, dass jemand sagt "ich bin nicht bereit, die Konsequenzen zu tragen!".
Aber zu sagen, wir können nicht, ist Unsinn! Selbstverständlich können wir das!
(Kujat: I can accept someone saying that he's not ready to bear the consequences! But it's nonsense to say that we cannot leave Afghanistan"!)

Ströbele: Und vor allem, wir müssen erwähnen, auch wie sich das entwickelt hat. Noch vor zwei Jahren, noch vor einem Jahr, noch vor gut einem halben Jahr – wenn man da von Abzug geredet hat, von Exitstrategie – dann wendeten sich im Bundestag alle von einem ab, mit dem Ausdruck des Ekels und des Unverständnisses. Heute ist das in jeder Regierungserklärung. Warum? Weil Obama dieses Wort aufgenommen hat, das heisst, die reden ihm auch immer nur nach, der bestimmt sogar die Wortwahl dazu. Also er bestimmt die Diskussion, das ist doch absurd! Warum konnte man nicht vor einem halben Jahr, vor einem Jahr genauso darüber reden [...]?
(Stroebele: Above all, we have to mention something about the course of events, too. Even only half a year ago, everyone in the Bundestag turned away from you with the expression of disgust and incomprehension in their faces if you were talking of drawdown or exit strategy. Today it's written into each governmental statement. Why? Because Obama picked up the word. That means, they all just tell him what he wants to hear. He even determines the choice of words. Thus he determines the discussion, that's absurd! Why didn't they speak the same way one year earlier [...]?)

Moderator: OK. Kein schlechter Punkt. Anders gedacht, wir gehen mal kurz in den Gedankengang rein, und man würde jetzt rausgehen. [...] Dann war doch alles für die Katz. Ich meine, [...] dann sind die gestorben für nix! Dann haben wir nix erreicht, tote Leute und gehen zurück und der Taliban sitzt da und macht ...
(Host: Ok. Not a bad point. Put otherwise, let's just assume for a moment we would withdraw. [...] Then it would have been all for nothing. I mean [...] they would have died just for nothing! Then we didn't reach anything but dead people and leave and the Taliban is sitting there and does ...)

Kujat: Ich halte es mit Matthias Claudius, der gesagt hat: "Der eine fragt: was kommt danach? Der andere fragt: Ist es so recht? Und so unterscheidet sich der Freie von dem Knecht".** Wir sind frei. Wir müssen… haben aber auch die Verpflichtung zu überlegen, was bedeutet das für unser Land langfristig? Was bedeutet das für die Lage in diesem Raum? ... Pakistan sage ich nur. Was bedeutet das für unsere eigene Sicherheit? Das muss man bedenken. Aber auch das wird ja nicht getan. Es wird weder gesagt, was wir dort erreichen wollen, noch wird gesagt, was die Konsequenz werden, wenn wir rausgingen. Sondern, wir befinden uns in einem Schwebezustand – "muddling through" - "durchwurtscheln" im Grunde genommen. [...] Es wird ja nicht Politik gemacht, sondern man lässt sich treiben. Obama sagt 'A', dann sagen wir auch 'A'. Wir sind ein souvärenes Land, wir haben eigene Interessen. Und nur dann, wenn unsere eigenen Sicherheitsinteressen betroffen sind, sind wir verpflichtet, dort einzugreifen. Und das muss man klären! Im Bundestag findet doch keine Diskussion zu diesen Fragen statt.
(Kujat: I'm following Matthias Claudius who said "[German poetic verses]". We are free. But we also have the duty to consider what that means for our country in the long run? I just mention Pakistan. What does that mean for our own security? You have to consider that. But this is not done, too. They do not say what we want to achieve there nor what the consequences would be if we withdraw. Instead, we find ourselves in a state of uncertainty – "muddling through" after all. [..] It's not politics, it's drifting. Obama says 'A', then we say 'A', too. We are a sovereign country, we have our own interests. And only if our own security interests are affected, we have the duty to take action over there. And this is what has to be clarified. There are no discussions about these questions in the Bundestag.)

Moderator: Der Bundesinnenminister sagt an der einen oder anderen Stelle, es gibt diesen Zusammenhang seiner Meinung nach nicht: Also deutsche Soldaten töten Taliban, also steigt das Risiko hier. Das dreht man auch schnell mal um. Also es bedeutet, es ist gar keine Sicherheitsgefährdung durch Afghanistan und die Taliban in Deutschland. Dann ist es ja mehr als nur Durchwurschteln, dann ist es ja grotesk, vorsätzlicher Unfug.
(Host: The minister of internal affairs said somewhere that there is no such correspondence, meaning German soldiers killing Taliban would increase the risk. You can converse that easily – which would mean that there is no danger to security coming from Afghanistan or the Taliban in Germany. But then it's more than "muddling through", then it's bizarre, deliberate mischief.)

Ströbele: Aber lassen Sie mich zu Ihrer Argumentation noch etwas sagen. Wir können nicht sagen, weil jetzt dreiundvierzig Soldaten jetzt dort gestorben sind, müssen wir den Krieg weiterführen, weil, es darf doch nicht sein – ich sag mal, umsonst – gestorben sind.
(Stroebele: Please let me respond to your agumentation. We cannot say, because now that 43 soldiers have died, we have to continue the war for the soldiers would have "died for nothing" so-to-say. )

Kujat: Das halte ich auch für ... das ist ja Wahnsinn!
(Kujat: Me too, I believe that ... this is insane!)

Ströbele: Wir können doch nicht weitere Leute dort sterben lassen, genauso sinnlos, nur um zu rechtfertigen ...
(Stroebele: We just cannot go on letting people die down there, ony to justify ...

Kujat: Nein! Das kann nicht sein!
(Kujat: No! That's just not possible!)

from www.titanic-magazin.de
Ströbele: Das kann kein Argument sein, sondern da ist lang was schiefgelaufen, und ich sage von Anfang an was schiefgelaufen. Man hat ja ganz am Anfang, wenn Sie sich die Reden im Bundestag 2001 angucken, hat man mit einem halben Jahr Krieg gerechnet. Inzwischen sind wir im neunten Jahr und Herr McChrystal, er ist ausdrücklich danach gefragt worden, hat gesagt, vier bis fünf Jahre schätzt er ab 2011, das heisst, bis 2016, wenn alles positiv verläuft, dass man da raus geht. Das kann doch nicht wahr sein. Das kann doch nicht wahr sein! Deshalb sage ich, man muss in sinnvoller und verantwortungsvoller Weise rausgehen, d.h., man muss sofort anfangen zu deeskalieren, man muss sofort alle Offensiv-Kriegführung einstellen. Das kann man von heute auf morgen machen, zumindest, wo wir es können und wo wir zuständig sind – im Norden rund um Kunduz und muss mit den Leuten dort, mit den Taliban, mit den Dorfältesten und so weiter verhandeln. Und ich geh davon aus, dass solche Verhandlungen schwierig sind, dass man versucht dort was umzusetzen. Was überhaupt nicht geht, was im Augenblick praktiziert wird, nicht nur die Grossoffensiven, sondern dass die USA - und ich fürchte auch die Deutschen, die, mit denen verhandeln wollen -mit den Taliban, mit Todeskommandos jagen, mit extra-legalen Hinrichtungen, mit Raketen, aus Flugzeugen, mit Spezialkräften, die dann entweder gefangen nehmen oder killen oder töten – das ist ständig an der Tagesordnung und damit macht man doch Verhandlungen unmöglich. Es kann sich doch keiner outen als Verhandlungsbereiter, weil er sich in dem Augenblick eigentlich um sein Leben sorgen muss. 
(Stroebele: This cannot be an argument. In contrast, there was something going wrong and I tell you, it was going wrong right from the beginning. If you watch the speeches in the Bundestag in 2001, you realize that they expected half a year of war. In the meantime we are in the 9th year and Mr. Chrstal answered - after being exlicitly asked – he estimated the war to go on for four or five more years – that means until 2016 to leave Afghanistan, if everything goes as planned. This cannot be true! This cannot be true! That's why I'm saying we have to leave in a reasonable and responsible way. That means, you have to start de-escalating immediately. You have to stop each and every aggressive warfare immediately. You can do that from one day to the other, at least in the region where we are responsible – in the north around Kunduz. And you have to negotiate with the people there – the Taliban, the village elders and so forth. I am assuming that such negotiations will be difficult in oder to achieve something there. What doesn't work at all – and that's currently being practiced there, not only with the major offensives – is that the USA and I'm afraid to say – the Germans - hunt and kill those Taliban with whom they are supposed to negotiate. There are hunting and killing special forces, hit squads, extra-legal executions, rockets from planes – that's the daily agenda and this is what makes negotiations impossible. No one can present himself as ready to negotiate because at the very same moment he's worried about his own life.)

[...]

-------End-------



* 'Minipopel' or 'Mini-Popel' is not a word of the German language which one could find in dictionaries but appears to be rather a(n admittedly) funny invention of the host Claus Strunz. 'Popel' is the German word for 'booger(s)', 'bogey', 'bit of a snot'.


**Kujat verwechselt hier Claudius mit Theodor Storm:





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