Wednesday, April 18, 2012

Die Illusion von der Bombe, die Israel bedroht


Man braucht nicht mehr als drei Annahmen um plausibel zu machen, daß die Idee eines nuklearen Angriffs auf Israel pure Illusion ist.

Nehmen wir an, daß

1) Wenn zwei verfeindete Staaten über einsatzbereite, hinreichend gefährliche Nuklearbewaffnung sowie die Fähigkeit zu einem effektiven nuklearen Zweitschlag verfügen, werden sie keinen Erstschlag mit diesen Waffen gegeneinander führen. (Prinzip der nuklearen Abschreckung)

2) Israel verfügt über einsatzbereite, hinreichend gefährliche Nuklearbewaffnung sowie die Fähigkeit zu einem effektiven nuklearen Zweitschlag (zu Wasser und zu Lande).

3) Iran verfügt über einsatzbereite, hinreichend gefährliche Nuklearbewaffnung sowie die Fähigkeit zu einem effektiven nuklearen Zweitschlag (zu Wasser und zu Lande).

Daraus können wir schließen, daß, selbst wenn der Iran eines Tages über nukleare Bewaffnung verfügen sollte, die beiden Staaten Israel und Iran sich unter den genannten Voraussetzungen nicht gegenseitig mit Nuklearwaffen attackieren werden. Mit anderen Worten, solange das Prinzip der nuklearen Abschreckung angenommen wird - und es ist schwer zu sehen, warum es im mittleren Osten nicht anwendbar sein sollte - wird Israel von überhaupt niemandem in Reichweite seiner atomaren Sprengköpfe angegriffen werden. Schon allein aufgrund dieses simplen Arguments erscheint ein nuklearer Angriff auf Israel unwahrscheinlich.

Warum sollte also das Atomprogramm des Iran für Israel eine existenzielle Bedrohung darstellen, wie hartnäckig und monoton behauptet wird?

Werfen wir einen Blick auf eine Verschärfung der Situation und nehmen wir an, daß 2) nicht der Fall wäre, daß also Israel entweder über keine nukleare Bewaffnung oder nicht über die Kapazität für einen Zweitschlag verfügte. In diesem Fall käme die Logik des kalten Krieges 1) nicht mehr zur Anwendung, da einer der verfeindeten Staaten nicht über die vorausgesetzte nukleare Bewaffnung verfügt. Nehmen wir weiterhin 3) an, und zusätzlich, daß der Iran tatsächlich einen Angriff mit nuklearen Massenvernichtungswaffen auf Israel durchführt.

Was würde passieren?

Man sollte sich zunächst einmal darüber klar werden, daß dieses Szenario in sich völlig unplausibel ist. Wenn man voraussetzt, daß der Grund für einen Angriff auf das Land (die Fläche) Israel das von den iranischen Mullahs immer wieder bedrohlich kritisierte "zionistische Regime" Israels ist, das - so Teheran - eine Apartheids- und Expansionspolitik gegenüber den Palästinensern forciert, dann wird es letzteren wenig helfen, wenn das Land, das sie für sich beanspruchen (teilweise) nuklear verseucht wird. (Welchen Sinn sollte das haben? Man muß sich an dieser Stelle wirklich die Frage stellen, wie die Leute, die in der Öffentlichkeit die Angst vor einem Nuklearschlag verbreiten, sich diesen denn vorstellen? Eine "Megabombe", die Israel (und nicht auch gleich seine Nachbarn) tatsächlich von Landkarte radiert? Mini-Nukes? Ein "chirurgischer Nuklearangriff", der die Feinde tötet, aber die anwesenden (oder benachbarten) Freunde am Leben läßt? Der Jerusalem zerstört, aber alle sog. "heiligen moslemische Stätte" unversehrt läßt? Alles Fantastereien - wenn man nur einmal versuchen würde sich das genauer auszumalen.)
Ferner, warum sollten die schiitischen Mullahs, allesamt wohlhabende Geschäftsmänner mit Frauen und Kindern, ihr eigenes Wohlergehen und das ihres Landes aufs Spiel setzen? Für die sunnitischen Palästinenser? Wohl kaum. 
Abgesehen von der geringen Plausibilität eines iranischen Angriffs, was würde passieren? Der Iran wäre dem Untergang geweiht. Zwar haben wir hier vorausgesetzt, daß der Iran über die Fähigkeit des nuklearen Zweitschlages verfügt, die er neben Israel auch gegen andere Staaten einsetzen könnte, doch im Falle eines erfolgten Angriffes auf Israel, käme eine andere einfache Regel ins Spiel, nämlich die der Überzahl: der Iran, der jetzt schon - insbesondere in seiner unmittelbaren Nachbarschaft - weitgehend isoliert ist, sähe sich einer Überzahl an Feinden gegenüber, insbesondere der NATO, geführt von den USA und Europa. Schon für unvergleichlich geringere "Vergehen" wie solch einer hypothetischen Tragödie wurden Staaten von den USA heimgesucht, allein im letzten Jahrzehnt Afghanistan und der Irak, beides Länder, in denen bis heute das Chaos herrscht.

Ein nuklearer Angriff Irans auf Israel ist höchst unplausibel in einem Szenario, in welchem das Prinzip der nuklearen Abschreckung angewendet werden kann. Doch sogar wenn die Logik des kalten Krieges nicht angewendet wird und man dem Iran die Herstellung von nuklearen Waffen frei unterstellt - obwohl die klerikalen Führer des Iran dies aus religiösen dezidiert ausgeschlossen haben und es genauso viele Hinweise auf ein Atomwaffenprogramm gibt, wie im Irak dazumal (nämlich keine), selbst dann kann das Gerede von der Bedrohung der Existenz Israels durch einen nuklearen Iran nicht aufrechterhalten werden und schon gar nicht mit dem Hinweis auf den "Wipe off the map"-Sager eines Präsidenten, der nicht viel zu sagen hat im Regime der schiitischen Würdenträger.

Es ist sicherlich immer wieder frappierend zu sehen mit welcher Zähigkeit die Idee der iranischen Bombe im internationalen Massenmedien Infotainment unwidersprochen am Leben erhalten wird. Die viel plausibleren - geostrategischen, wirtschaftlichen und hegemonialen - Gründe in den Iran einzumarschieren gehen dabei unter. Zu diesen gehört auch der Einwand, das Zulassen der Produktion von nuklearen Sprengköpfen seitens des Irans könnte ein allgemeines Wettrüsten im ohnehin spannungsgeladenen mittleren Osten hervorrufen. Aber dieser Einwand hat zunächst einmal rein gar nichts mit der von allen Seiten beschworenen Bedrohung Israels durch den Iran zu tun. Das Problem der Verbreitung von Atomwaffen gibt es seit es Atomwaffen gibt und es beschäftigt vor allem jene Staaten, die sie schon im Besitz haben. 

Gibt es irgendeine Erklärung, warum diese Illusion von der Bombe immer weiter genährt wird?

Ja, es gibt eine durchaus einsichtige psychologische Erklärung. Die Logik der nuklearen Abschreckung kann nämlich suspendiert werden, indem man einen der Kontrahenten als Verrückten ansieht, als gefährlichen Irren, dem man keinesfalls so eine gefährliche Waffe wie die Bombe in die Hand geben darf. Das Prinzip der nuklearen Abschreckung setzt "rational agents" voraus. Irre sind aber nicht "rational agents".
Haben Sie sich selbst schon dabei ertappt, daß sie sich vorstellten, wie die "bärtigen Irren von Theheran" nervös mit der Bombe herumfuchteln? Wenn ja, woher kommt das? Zweifellos hat die nun schon jahrzehntelang andauernde Verunglimpfung der "Araber" (oder "Moslems") als unberechenbare, wilde, unzivilisierte und verschlagene Hinterwäldler dazu beigetragen, zusammen mit dem fast ununterbrochenen Strom an (echten und gefälschten) Meldungen über Anschläge des sog.  internationalen Terrorismus bishin zu den steinewerfenden Kindern der Intifada. All das suggeriert dem Gehirn das Bild von primitiven Kreaturen, denen es unmöglich ist mit einer Atomwaffe "ordnungsgemäß" umzugehen. Zusätzlich eignet sich Achmadinedschad nun wirklich vorzüglich für die Rolle des "Teufel vom Dienst" in einem an Kriegspropaganda so reichem Theaterstück (siehe Morellis Prinzipien der Kriegspropaganda). Dies sind die Ingredienzen der psychologischen Einflußnahme, die selbst jene, die diese Islamophobie kreiert haben und unermüdlich vorantreiben, schließlich dazu bringen an ihre eigenen Propagandalügen zu glauben.














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